Merkantiler Minderwert
Autor: Maik Kordy
Lesedauer: 4 Minuten
Veröffentlicht: 05.06.2024
Merkantiler Minderwert
Welchen Wertverlust hat mein Fahrzeug nach einem Unfall?
Merkantiler Minderwert bzw. merkantile Wertminderung: Diese Begriffe hört man nach einem Unfall häufig. Aber was bedeuten sie genau? Wie wird der verringerte Wert eines Unfallfahrzeugs eigentlich berechnet? Und wie kann ich eine Entschädigung geltend machen? Hier finden Sie alle wichtigen Informationen an einem Ort.
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Definition: Merkantiler Minderwert
Für die Marktgängigkeit eines Fahrzeugs ist die Unversehrtheit essenziell. Ein Auto mit einem Unfallschaden jenseits der Bagatellschadengrenze hat einen geringeren Verkaufswert als ein vergleichbares unfallfreies Fahrzeug – auch bei fachgerechter Instandsetzung und Reparatur des Schadens. Im Zuge der Schadensregulierung nach dem Zusammenstoß haben Sie als Geschädigter einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für diese merkantile Wertminderung. Der geringere Veräußerungswert wird anhand von Faktoren wie Fahrzeugalter, Schadensumfang, Betriebsleistung, Neupreis, Marktsituation und Wiederbeschaffungswert berechnet.
Übrigens: Der merkantile Minderwert spielt auch bei Bauschäden oder einem Baumangel eine Rolle.
Häufige Fragen
Wie hoch ist der merkantile Minderwert nach einem Unfall?
Hier lassen sich keine pauschalen Werte nennen, da der merkantile Minderwert von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Grundsätzlich gilt: Bei Neuwagen fällt die Wertminderung besonders hoch aus. Bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung kann es vorkommen, dass der Minderwert nach einem Unfall entweder Null ist – oder eine Reparatur sogar den Wert des Unfallwagens steigern würde.
Was bedeutet merkantile Wertminderung bzw. merkantiler Minderwert?
Ein Unfallwagen erzielt auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen niedrigeren Verkaufspreis als ein Auto ohne Vorschaden. Durch den Unfallschaden entsteht also eine merkantile (kaufmännische) Wertminderung. Für diesen Minderwert Ihres Fahrzeugs können Sie als Unfallgeschädigter einen finanziellen Ausgleich von der Versicherung des Unfallverursachers verlangen.
Wie berechnet man die merkantile Wertminderung eines Autos nach einem Unfall?
Es gibt diverse Berechnungsmodelle und Faustformeln für den merkantilen Minderwert. Auch die Gerichte legen sich hier nicht fest, obwohl der BGH in seinen Urteilen die Methode nach Ruhkopf / Sahm bevorzugt. Durch diese Uneindeutigkeit gibt es immer wieder Diskussionen und Streitigkeiten zwischen Haftpflichtversicherern und Unfallopfern über die korrekte Höhe der Schadenersatzansprüche.
Merkantile Wertminderung: Nur für Autos jünger als 5 Jahre?
Der Deutsche Verkehrsgerichtstag legte einst fest, dass es für Fahrzeuge über fünf Jahren oder mit sehr hoher Laufleistung keinen Anspruch auf Wertminderung gibt. Diese Aussage ist heute nicht mehr immer korrekt, es gibt zahlreiche Ausnahmen. Ein Kfz-Sachverständiger kann Ihnen konkrete Auskunft geben, ob in Ihrem Fall eine Entschädigung in Frage kommt.
Kurz & knapp
- Ist ein Fahrzeug nach einem Unfall weniger wert, spricht man von einem merkantilen Minderwert. Ausnahme: Bagatellschäden. Bei diesen muss das Auto nicht als Unfallwagen deklariert werden.
- Gemäß § 249 BGB hat der Unfallgeschädigte Anspruch auf Ersatz aller unfallbedingten Kosten, worunter neben den Reparaturkosten auch die Wertminderung fällt.
- Die Wertminderung kann auch fiktiv (also auf Gutachtenbasis) abgerechnet werden. Sie können sich den Betrag also auszahlen lassen.
- Es gibt mehrere Berechnungsmethoden für den merkantilen Minderwert, so dass es bei Haftpflichtschäden häufig zu Diskussionen über dessen Höhe und Berechnung kommt.
- Nach einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug sollten Sie stets zunächst den Leasinggeber informieren. Die Wertminderung für den Leasingwagen steht dem Leasinggeber als Eigentümer zu.
- Ihr Neuwagen wurde stark beschädigt? Möglicherweise besteht ein Ersatzanspruch auf Neuwagenbasis. Mehr zur Beweispflicht und zum Ablauf weiß Ihr Kfz-Gutachter.
- Ein unabhängiger Kfz-Gutachter hilft Ihnen beim Einfordern des merkantilen Minderwerts und erstellt ein belastbares Gutachten, das im Fall von Streitigkeiten auch vor Gericht eingesetzt werden kann.
Rechtliche Grundlagen zur merkantilen Wertminderung
Die wichtigste Rechtsgrundlage in Bezug auf den merkantilen Minderwert ist § 249 BGB. Hierin wird festgelegt, dass ein Geschädigter vom Unfallgegner Schadenersatz verlangen kann. Dieser umfasst alle unfallbedingten Kosten – und damit auch den verringerten Preis, den ein Wagen auf dem Gebrauchtwagenmarkt erzielen kann. Hierbei ist ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1961 zu beachten (AZ.: VI ZR 238/60): Der merkantile Minderwert eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs ist dem Kläger auch dann zu erstatten, wenn er das Fahrzeug selbst weiter nutzt.
Wichtig: Bei mehr als fünf Jahre alten Fahrzeugen oder Autos mit mehr als 100.000 Kilometern auf dem Tacho kann laut einer Richtlinie des Deutschen Verkehrsgerichtstags meist keine merkantile Wertminderung geltend gemacht werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch bei einem Totalschaden wird statt des Minderwerts der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts ausbezahlt. Und auch im Fall eines Bagatellschadens mit nur sehr geringen Reparaturkosten wird die Wertminderung in aller Regel abgelehnt.
Ein technischer Minderwert liegt dann vor, wenn ein Fahrzeug nach einem Unfall auch durch eine fachgerechte Reparatur nicht in den Zustand versetzt werden kann, den es vor dem Zusammenstoß hatte. Der merkantile Minderwert hingegen bezieht sich auf den errechneten Wertverlust, den ein Auto erleidet, wenn es im Rahmen eines Verkaufs als Unfallwagen deklariert werden muss. Einen Unfall zu verschweigen ist strafbar, als Besitzer sind Sie offenbarungspflichtig.
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Welche Berechnungsmethoden für den merkantilen Minderwert gibt es?
Da die Rechtsprechung keine konkreten Vorgaben gibt, besteht eine Vielzahl von Faustformeln und Berechnungsmodellen für die merkantile Wertminderung. Diese setzen unterschiedliche Schwerpunkte, doch im Grund beziehen sich alle auf Faktoren wie Zulassungsjahr, Laufleistung, Neupreis, Vorschäden, Ausstattung, Anzahl der Vorbesitzer, Wiederbeschaffungswert, Zeitwert sowie die aktuelle Marktsituation. Folgende Methoden gibt es:
Faustformel
Eine Faustformel ist sicherlich ein recht simples Wertminderungsmodell, doch für einen ersten Überblick ist sie sicherlich brauchbar: Grob kann man sagen, dass der Minderwert im ersten Jahr bei 25 % liegt, im zweiten bei 20 %, im dritten bei 15 % und im vierten noch bei 5 %. Für eine exakte Berechnung sollten Sie einen unabhängigen Sachverständigen wie Meister Kordy kontaktieren. Dieser kann den merkantilen Minderwert in seinem Schadensgutachten zuverlässig ermitteln und hilft Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Ruhkopf / Sahm
Die Berechnungsmethode von Ruhkopf und Sahm wurde 1962 entwickelt und bezieht die Reparaturkosten, den Zeitwert, den Neupreis sowie das Alter des Unfallwagens in Monaten ein.
Formel: Minderwert = (Zeitwert + Reparaturkosten) x Faktor F / 100
Halbgewachs
Das Modell von Halbgewachs stammt aus dem Jahr 1964. Parameter sind Reparaturkosten, Neupreis, Betriebsjahre in Monaten sowie Wert vor dem Unfall.
Formel: Minderwert = X * (VW + RK) / 100
Der Faktor X muss zunächst über weitere Unterfaktoren wie Lohnkosten, Materialkosten, Neupreis und Fahrzeugalter, die ins Wertverhältnis gesetzt werden, berechnet werden.
BVSK-Methode
Von 2003 ist die Formel des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kfz-Wesen e.V. (BVSK). Diese berechnet den Minderwert anhand von Marktgängigkeit (M-Wert), Wiederbeschaffungswert (WBW) und prozentualer Intensität des Schadens (%-Klasse) und bezieht mit einem Korrekturfaktor auch Vorschäden (K-Faktor) ein.
Formel: Minderwert = WBW (%-Klasse + M-Wert / 100) K-Faktor
Marktrelevanz- und Faktorenmethode
Mit besonders vielen Faktoren arbeitet die Marktrelevanz- und Faktorenmethode von Zeisberg: Reparaturkosten (RK), Neupreis (NP), Veräußerungswert (VW), Schadensumfang (SU), Alterskorrektur (AK), Vorschäden (V) sowie Marktgängigkeit (M).
Formel: Wertminderung = [ (VW / 100) + (VW / NP x RK x SU x AK) ] x M x V
Hamburger Modell
Das Hamburger Oberlandesgericht setzt bei seiner Berechnungsmethode auf die Faktoren Reparaturkosten, Richtarbeiten (Instandsetzung), Karosseriearbeiten sowie den Kilometerstand des Unfallwagens.
Bremer Formel
Die Bremer Methode berechnet den Minderwert lediglich anhand des Fahrzeugalters sowie der Netto-Reparaturkosten.
Weitere Berechnungsmethoden wie das Modell von Noelke und Noelke, das Kasseler Modell oder die Sacher-Wielke-Formel werden eher selten eingesetzt.
Unfall mit dem Neuwagen:
Wie ist das mit der Wertminderung?
Gerade bei einem Neuwagen ist die Wertminderung nach einem unverschuldeten Zusammenstoß besonders ärgerlich: Statt eines fabrikneuen Fahrzeugs haben Sie nun einen Unfallwagen. Die finanzielle Entschädigung ändert an diesem Frust nur wenig. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht jedoch laut einem BGH-Urteil (AZ. VI ZR 110/08) auch ein Ersatzanspruch auf Neuwagenbasis:
- Laufleistung unter 1.000 Kilometern
- Zulassung vor nicht mehr als einem Monat
- Erheblicher Schaden am Fahrzeug
- Es muss tatsächlich vom Schadenersatz ein Neuwagen gekauft werden
Die Beweispflicht für den Ersatzanspruch auf Neuwagenbasis liegt allerdings beim Geschädigten. Besprechen Sie in solchen Fällen am besten mit Ihrem Kfz-Gutachter, was zu tun ist.
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Fazit:
Nach einem Zusammenstoß haben Sie nicht nur Anspruch auf den Ersatz der Reparaturkosten, Sie müssen von der gegnerischen Versicherung auch dafür entschädigt werden, wenn der auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erzielende Fahrzeugwert durch den Schaden geringer ist. Doch durch die Vielzahl an Berechnungsmodellen kommt es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Versicherern und Geschädigten über Höhe und Berechnung des merkantilen Minderwerts. Verlassen Sie sich besser auf die Expertise eines unabhängigen Sachverständigen wie Meister Kordy. In einem ausführlichen Schadengutachten werden alle Schadensersatzansprüche dokumentiert und lassen sich so schnell und effizient durchsetzen.